Follow me:
Positano

Road-Trip durch Italien: Teil I // Sorrentinische Halbinsel

Wenn Zitronen- und Olivenbäume sich in der Landschaft abwechseln, die Zikaden sich in der sengenden Hitze in Trance zirpen und sich in der nach Pinien duftenden Meeresbrise die Hupen der knatternden Vespas zu einem einzigen Konzert vereinen, dann ist das Leben süß und leicht, eben Dolce vita gleich.

Neapel
Neapel
Massa Lubrense
Piaggo Ape
Olivenbaum
Olivenbaum
Strand
Boote
Picknick
Sorrentinische Halbinsel
Wein
Ischia
Positano
Positano
Positano
Positano
Positano
Positano
Positano
Positano
Positano
Mittelmeer
Positano
Amalfi
Vespa
Amalfi
Amalfi
Zitroneneis
Amalfi
Zitronen
Amalfi
Capri
Capri
Capri
Capri
Capri
Capri
Mittelmeer
Mittelmeer
Villa San Michele
Villa San Michele
Anacapri
Anacapri
Anacapri
Anacapri
Anacapri
Anacapri
Anacapri
Anacapri
Capri

// 11.08.2019 // Halle – Trento

Punkt 3.00 Uhr leitet mein Wecker einen der schönsten Tage im Jahr ein: Früh morgens zuhause aufwachen und später am Tag an einem anderen Ort auf der Erde einschlafen. Einmal noch werfe ich die warme Decke übers Gesicht und vertreibe damit die letzten Gedanken an Arbeit, Verpflichtungen, Hektik und Dauerstress. Zwei Anläufe ( haben wir jetzt nun abgeschlossen oder nicht?) brauchen wir, um der Reilstraße für die kommenden drei Wochen tatsächlich den Rücken zuzukehren. Die A9 nickt uns gähnend bis leicht verschlafen zu und lässt uns bis München trotz unzähliger Baustellen mit nur wenig Verkehr passieren. Von da an steigert sich nicht nur die Vorfreude auf Napoli, auch der bayrische Ferienverkehr meint fortan sein Partyhütchen aufsetzen zu wollen. Kufstein zieht an uns vorbei und bald schon winkt auch die Nordkette von Innsbruck aus der Ferne. Wir ziehen das Brenner-Ticket, rollen der Europabrücke entgegen und streifen damit entgültig den grauen Staubschleier von der dringend benötigten Urlaubshaut. Das schönste Alpenpanorama begleitet uns sowohl im Rückspiegel als auch ( immer wieder aufs Neue) atemberaubend in der Frontscheibe. Bald lassen die Berge auch die erste italienische Schlagermusik durchs Radio und leiten sie direkt ohne Umwege in unser Herz. Warme, flimmernde Luft strömt durchs Fenster, das Atmen fällt die nächsten Wochen unglaublich leicht. Bozen illert schon über den nächsten Hügel und Meran umarmen wir in Gedanken aus der Ferne. Unser Etappenziel für heute: Vattaro // Hotel Dolomiti. Dort angekommen müssen wir die ersten Italienischbrocken herauskramen, denn Deutsch spricht hier zum Glück keiner mehr. Bevor uns die Müdigkeit vollends übermannt, gibt es am nahegelegenen Lago di Caldonazzo neben Eis, Pizza und Spaghetti den ersten italienischen Sonnenuntergang für uns.

// 12.08.2019 // Trento-Sorrent

Der Hausberg vor unserem Fenster erwacht nur langsam aus seinem Sommerschlaf. Die ersten orangefarbenen Strahlen kitzeln ihn ganz oben auf der Bergspitze und am Fuße gackern ihm fröhlich ein paar Hühner “Guten Morgen” zu. Zwischen Trento und Sorrent liegen 8h Fahrtzeit. Wir stärken uns am Büffet und entern bald schon erneut die Autostrada gen Verona. Wir kommen entspannt fahrend voran und legen zwischendurch Pausen ein. Manche freiwillig, andere widerum in Warnweste in einer Haltebucht neben der Autobahn stehend. Der Reifendruck macht unbegründet Probleme. Und während Herr Freund froh gestimmt gegen Gummi tritt und beobachtet, lege ich mir in Gedanken schon italienisch/englische Sätze für den Pannendienst zurecht. Einen Eimer mit schwarzer Farbe habe ich in solchen Momenten stets griffbereit im Rucksack stecken. Wie gesagt unbegründet. Pittoreske Bergdörfer, Pinienalleen und letztlich Montepulciano ziehen an der Scheibe vorbei und das Herz weiß plötzlich, dass ein Wiedersehen nur wenige Wochen entfernt scheint. Kurz vor Rom meint sich unsere Klimaanlage bei 40 Grad Außentemperatur verabschieden zu müssen. Heiße Fönluft lässt uns fortan erahnen, was August in Süditalien bedeutet. Hinter jeder Kurve vermuten wir bald schon den Vesuv, bis schließlich nur noch eine Spitze aus der Ebene herausragt. In diesem Moment fahren wir mitten durch Napoli. Verkehrsordnungen gibt es plötzlich nicht mehr, Blinker verlieren ihre Funktionen und Ellenbogen gehören grundsätzlich aufs offene Autofenster. Vespafahrer, die ganz eindeutig mit ihrem Leben abgeschlossen haben, eröffenen auf dem Mittelstreifen eine dritte Spur, ob von oben oder unten kommend. Wer anhält hat verloren und Autohupen erleben plötzlich ein ungeahntes Revival. Mehrmals werden wir mittels Lichthupe ob der Geschwindigkeitsbegrenzung aufgefordert, das Feld zu räumen. Herr Freund bleibt gelassen, ich werde mehr und mehr eins mit meinem Autositz. Und nach dieser kurvenreichen, nervenaufreibenden und teils waghalsigen Fahrt wird es plötzlich ganz ruhig. Die Sonne senkt sich und taucht den Golf von Neapel in goldenes Licht. In der Ferne zeichnen sich die Umrisse von Ischia ab und unter uns glänzen die Blätter der Olivenbäume silbern. Wir sind angekommen.

// 13.08.2019 // Ausflug nach Sorrent

Wir fahren Bus, das steht nach unserer gestrigen Anreise relativ schnell fest. Zumindest denken wir das. Im örtlichen Tabakladen fragen wir zur Sicherheit nochmal nach der richtigen Haltestelle. Das wir den netten Herren in wenigen Minuten wiedersehen, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Um uns die Wartezeit zu vertreiben, beobachten wir ganz einfach das herrliche Treiben auf der Straßenkreuzung. Eine Vespa nach der nächsten kreuzt unser Blickfeld, Ape-Fahrer grüßen wild durch die Gegend und Fiat fährt tatsächlich jeder Zweite. Langweile kommt zu keinem Zeitpunkt auf, stattdessen gewöhnen wir uns mehr und mehr an dieses Gewusel. Wir vernehmen ein Hupen aus der Ferne und plötzlich springen alle Einheimischen auf. Der Bus hält, wir steigen ein und hören schon wenige Sekunden später den vernichtenden Satz: “No tickets in the bus. Only at the tabaco shop.” Eins muss man dem Fahrer dennoch lassen: Die Sonnenbrille sitzt. In mittlerweile brütender Mittagshitze laufen wir also zurück zum Tabakladen und fragen diesmal nach Bustickets. Er guckt uns an, zuckt mit den Schultern und sagt: “Finish.” Er schickt uns einen Laden weiter, dort hätten sie wohl noch welche. Und tatsächlich halten wir schließlich triumphierend 4 Bustickets in den Händen. Im Schatten der Dorfkirche feiern wir unseren Erfolg mit einem großen Schluck Wasser und einer frischen Portion Sonnencreme auf der Nase. Dann ist er plötzlich da: der Eros Ramazzotti-Moment. Aus einem Fenster dröhnt sein neues Lied und ja ich lächle beseelt vor mich hin. Wir laufen zurück zur Haltestelle, der Bus stoppt, die Tickets sind diesmal goldrichtig und dann geht die Achterbahnfahrt auch schon los. Die schmale Straße schlängelt sich in wilden Kurven( vor denen natürlich gehupt wird) den Berg hinab. Immer wenn man denkt, es passt kein Auto mehr dazwischen, kommen gleich zwei weitere und drei Vespafahrer daher. Irgendwann erscheint plötzlich Sorrent hoch oben über der Steilküste und auch der Vesuv lässt sich wieder blicken. Am Busbahnhof steigen wir aus und befinden uns sogleich inmitten des Touristentrubels. Es folgen kleine Gassen, pittoreske Wäscheleinenbalkons und ein verstecktes Restaurant im Gewächshausstil. Die Zitronen hängen verführerisch in Weitreiche und Eiskugeln gleich nebenan. Der Blick von oben auf die Marinada mit ihren bunten Sonnenschirmen, den gestreiften Badehäuschen und dem türkisfarbenen Meer lässt nun entgültig das Dolce-Vita-Gefühl aufleben.

// 14.08.2019 // Neapel

Kurve um Kurve beschleunigt der Busfahrer mehr, so ist zumindest mein Eindruck. Er schaut dabei aufs Handy, hupt zeitgleich und das Ganze natürlich einhändig. Der linke Arm hängt lässig im Fensterrahmen, grüßt oder gibt eindeutige Handzeichen. Wir kaufen die Tickets für den Campagnia-Express und zuckeln anfangs noch sitzend, später stehend an Zitronenhainen und Steilküstenausblicken Neapel entgegen. Auch auf Pompeji können wir einen kurzen Blick werfen. Was folgt sind schließlich urbane Stadtlandschaften mit alten Schrottplätzen, auf denen alte Barilla-Lastwägen langsam vor sich hin rosten und Bahnschranken, an denen ein Dutzend Vespafahrer auf eine schnelle Weiterfahrt hoffen. Ein morbider Charme umgibt diese alte Stadt schon jetzt. Neapel begrüßt uns schließlich mit chaotischem Verkehr und praller Sonne. Wir versuchen uns mithilfe des Stadtplans zu orientieren. Herr Freund ist voller Vorfreude und so steht schnell fest: “Da Michele” wird als erstes aufgesucht. Zwanzig Minuten später pure Ernüchterung. Ein Betriebsferien-Schild begrüßt uns an der Tür, vor der sonst hunderte Menschen nach DER Pizza verlangen. Wir machen trotzdem ein paar Erinnerungsfotos und suchen zeitgleich nach würdigen Alternativen. Pizzeria Brandi soll es werden und so bestaunen wir auf dem Weg dorthin neben der Lebensader Neapels – die Spaccanapoli- vor allem auch all die schönen Hinterhöfe, Balkontenöre und stillen Zeitzeugen. Allerhand Nippes wechselt den Besitzer und selbst die Zukunft könnten wir uns in passendem Ambiente direkt am Straßenrand voraussagen lassen. Diese Stadt spricht eine alte Sprache, ist manchmal dunkel aber immer ehrlich, impulsiv, laut, chaotisch und rechts und links voller Überraschungen. Wir fühlen uns an Istanbul erinnert. Wenig später finden wir schließlich das ultimative Pizzaglück in der Pizzeria Brandi. Ein Foto vorm Ofen wird direkt am Eingang gemacht und ein Tisch für zwei Personen ist auch schnell gefunden. Was folgt: Eine Ode an den puren, neapolitanischen Pizzagenuss. “Perfetto” würde Eros Ramazzotti jetzt im Hintergrund voller grande Emozione singen und sich dabei vermutlich ähnlich wie wir die Finger ablecken. Und weil man in Italien weder Kalorien zählt noch kulinarische Köstlichkeiten auslässt, gibt es im Anschluss noch eine Frittata von Sorbillo in die rechte und ein Eis von Guy Odin in die linke Hand. Später wird Felix in einem Supermarkt mit einem Neapolitaner ein intensives Fachgespräch über die perfekte Tomatensauce führen. Keiner von beiden versteht den anderen und dennoch gehen beide zufrieden lächelnd und mit einem “Grazie/Prego” auf den Lippen auseinander.

// 15.08.2019 // Wandertag zum Meer

Es ist Feiertag in Italien und tatsächlich etwas ruhier auf den Straßen. Wir beschließen heute endlich das verheißungsvolle, (mehr oder weniger) kühle Mittelmeer aufzusuchen und kramen die Wanderkarte von der Halbinsel raus. Der Rucksack ist wenig später schon gesattelt, die Schuhe startklar und der Weg noch lang. Anfangs begleitet uns in einem angenehmen Abstand noch ein älterer Herr, doch auch der verschwindet schon bald. Der Weg führt vorbei an uralten Olivenbäumen, die kühlen Schatten spenden und am Ende einen wunderschönen Blick aufs glitzernde Meer freigeben. Der Pfad gabelt sich plötzlich auf und wir entscheiden uns für die linke Seite. Nur wenige Meter und eins, zwei Kurven später schauen wir plötzlich in riesengroße Hundeaugen. Sein Zähnefletschen verrät uns, dass er ganz sicher nicht auf deutsche Wanderer steht und überhaupt: Wer kommt auf die Idee im Hochsommer bei 30 Grad in Italien wandern gehen zu wollen? Er schüttelt verächtlich den Kopf und wir überlegen uns just in diesem Moment: Ein Fluchtweg muss her! Google Maps verrät uns schließlich unseren tatsächlichen Standort und wir müssen uns eingestehen, von anfang an den falschen Einstieg genommen zu haben. Wir laufen schließlich ein Stück die Hauptstraße entlang, bestaunen ganz ohne Neid die Oldtimer-Cabrios, die klischeebehaftet gutbetuchte Insassen kutschieren und erfreuen uns am Fahrtwind, den sie mehr oder minder gewollt erzeugen. Mein Herz hüpft erfreut auf, als der Wanderweg schließlich mitten in einen verlassenen Olivenhain abbiegt. Sogar eine vorschriftsmäßige Markierung finden wir vor. Das Meer begleitet uns fortan azurblau aus der Ferne und immer wieder meint es, ein Olivenzweig mit seinem Silberglanz ganz besonders schmeichelhaft zu meinen. Meine Kamera steht auf Anschlag und immer wieder bieten sich neue, atemberaubende Ausblicke. Es dauert nicht lange und aus dem breiten Weg wird plötzlich ein Trampelpfad. Das Gras reicht uns rechts und links bis zur Hüfte und auch die ersten Schürfwunden gibt es zu verzeichnen.Wacker und wie bereits erwähnt stets das Meer vor Augen kämpfen wir uns mehr und mehr den Berg hinab. Markierungen gibt es schon lange nicht mehr, dafür aber plötzlich ein paar verwitterte Steintreppen. Sie führen vorbei an mysteriösen Häusern, die von außen verlassen wirken und durch intakte Fensterscheiben plötzlich freie Sicht auf vollkommen ausgestattete Kunstmöblierungen geben. Mit einem mulmigen Gefühl ziehen wir weiter und schon bald scheint die Bucht mit ihren bunten Schirmchen zum Greifen nah. Der Klang der Wellen, die gegen Stein und Sonnenstrahlen prallen, drängt zu uns hoch. Und plötzlich findet der Weg abrupt inmitten eines noblen Beach Clubs sein Ende. Ungläubig und etwas verwirrt ob der seltenen Wanderer begrüßen uns die piekfeinen Kellner vorschriftsmäßig höflich. Gern würde ich ihnen ihre offenen Münder zuklappen, doch wenig später schon haben sie sich gefangen und nehmen die nächste Hummer-Bestellung an Tisch 6 entgegen. Wir suchen unterdess schnellstmöglich den Ausgang auf und sehen, hören und riechen nun endlich das Meer. Ein schattiges Plätzchen ist schnell gefunden und wenige Minuten später schon eiern wir keinesfalls grazil barfusslaufend über die heißen Steine. Welle um Welle schaukeln wir ähnlich wie die vielen kleinen und großen Boote hin und her. La dolce vita, hier läuft es mir plötzlich in einem großen, salzigen Schwapp die Kehle herunter und lässt mich kurz nach Luft schnappen. Ich pruste vor Freude, vor Atemnot und Schockverliebtheit los und schon kommt die nächste Welle. Stundenlang könnten wir Leute beobachten, uns von dem herrlich säuselnden Italienisch einlullen und erneut vom Wasser abkühlen lassen. Doch eine Alternative zum unwegsamen Trampelpfad muss her und die führt zunächst über die nächste Bergkuppe. Wieder glitzert das Meer zum Abschied auf unserer linken Seite und dutzende Boote flitzen vorbei. Tatsächlich gibt es von der Marinada aus eine Busverbindung zurück nach Montecchio, kaum das wir den Ort betreten. Glücklich und zufrieden, wenn auch etwas verschwitzt und mit einsetzendem Sonnenbrand im Gesicht, lassen wir uns hupend mit dem Bus zurückchauffieren. Mit einem letzten Kraftaufwand kämpfen wir uns den Weg zur Unterkunft hinauf. Guiseppe, unser Gastgeber, empfängt zu diesem Zeitpunkt gerade die gesamte Familie und wir fangen bei Mortadella, Mozarella und schmackhaften, italienischen Gurken an, nach dem heutigen Feiertag zu googeln. Es ist “Ferragosto” , der Tag an dem ganz Italien Kopf steht und wir sind mittendrin. Der Wind wird heute Abend aus allen Himmelsrichtungen Musik, fröhliche Stimmung und stetige Kirchenglocken herbeitragen.

// 16.08.2019 // Positano – Amalfi

Heute werden wir uns die volle Touristendröhnung geben und mit einem City-Sightseeing-Bus die Amalfitana entlang bis nach Positano und Amalfi fahren. Wir schlingen unser Frühstück herunter und nehmen den ersten Bus nach Sorronto. Nach einer erneuten Achterbahnfahrt zeigt mir mein Magen höchsterfreut den Vogel, als ich wenig später einen weiteren Bus besteige. Wir ergattern die letzten Fensterplätze und lassen uns von dem smoothen Italo-Pop im Ohr berauschen. Kurve um Kurve kämpfen wir uns eine ganze Weile nach oben, bis wir über einen kleinen Bergkamm fahren und sich erneut das satte Blau des Mittelmeeres auftut. Traumhafte, kleine Buchten winken von unten hinauf und steile Felsvorsprünge wechseln sich mit Zitronenhainen und hektisch, hochroten Touristen in wunderschöner Regelmäßigkeit ab. Panisch treiben sie ihre kleinen Fiat 500’s die engen Straßen entlang, verkeilen sich und geben ob das immensen Gegenverkehrs irgendwann erschöpft auf. Ist doch eh viel schöner abseits der Straße, denke ich und habe plötzlich so ein Positano-Gefühl in der Fotoherz-Gegend. Und tatsächlich, wenig später tun sich unzählige, pastellfarbene Häuser eng an die Felsen geschmiegt in der Ferne auf. Fotogene Leichtigkeit umspielt meinen Mund und ich schmecke plötzlich eine enorme Influencer-Instagram Dichte auf der Zunge. Kurz vorm dem Ort kommt der Verkehr zum Erliegen. Vespas und Autos parken links und rechts der Straße und immer wieder verfranst sich ein Fahrer, steht quer zur Fahrbahn, um irgendwie den Bus vorbeizulassen. Im Ort selbst regelt ein Polizist mit ohrenbetäubender Trillerpfeife die anhaltende, stetig mehr werdende Blechlawine. Zumindest lässt man ihn in dem Glauben, dass er es tut. Wir steigen aus, organisieren die Weiterreise nach Amalfi und laufen Richtung Ortskern. Und dann kommt er plötzlich unerwartet schnurrend und mehr als pittoresk um die Ecke geschlichen: ein wahrgewordener, pastellfarbener Fototraum. Gemeinsam mit tausend anderen Touristen lichte ich diese Szenerie mehrfach ab. Vor lauter Aufregung lasse ich dabei gleich zwei analoge Filme hintereinander, ohne ein einziges Foto zu schießen, zurückspulen. Erst in Rom werde ich die Chance bekommen, Nachschub zu holen. Wir laufen weiter bis vor zum Strand vorbei an bunten Sonnenschirmchen und edlen Beach-Clubs, die bereits fleißig dabei sind, die mondäne Kundschaft von den vorgelagerten Jachten einzusammeln. Auch hier glitzert zwischen all den Möchtegern-Meerjungfrauen das Mittelmeer herrlich türkisfarben auf. Wahrlich eine Versuchung, doch der straffe Zeitplan lässt den Badespaß nicht zu und so gönnen wir uns statt Salz auf der Haut einen kühlen Zitronen-Slush im Schatten. Der Ort steht ganz klar kurz vor dem Kollaps und die Seele bleibt bei all dem Massen-/Instagram-Tourismus wohl doch nur den Einheimischen vorbehalten. Zum Glück. Wir kämpfen uns zurück bis zur Haltestelle und vertreiben uns die Wartezeit mit einem erneuten Trillerpfeifen-Konzert. Erneut spuckt der Sightseeing-Bus vor uns einen Schwall neuer, erwartungsvoller Touristen aus, die sich wie wir durch enge Gassen schieben werden. Oh Positano, was bist du auch so schön ?! Auf dem Weg nach Amalfi blitzen erneut ganz tief unten bunte Schirmchen auf und immer wieder blendet azurblaue Glückseligkeit die Augen. Kleine Dörfer laden ebenfalls an die Hänge geschmiegt zum Entdecken ein und Zitronen schmeicheln uns mit ihren verschiedenen Gelbtönen. Amalfi begrüßt uns mit einem noch größeren Verkehrschaos. Hier scheint jeder eine Pfeife zu besitzen und der Touristenstrom scheint auch hier nicht enden zu wollen. Wir laufen bis zum Mühlental und lassen schließlich all die Geräusche, Made -in- China-Souvenirs und Plastikreklameschilder hinter uns. In einer alten Papierfabrik glüht mein Paperherz plötzlich auf. Ich lasse meine Hände über dieses edle Material streifen. Immer mit dem Wissen niemals solch einen Bogen beschreiben zu können. Gleich nebenan werde ich eines meiner Lieblingsfotos des gesamten Urlaubes schießen: Zwei simple, alte Vespas, die für diese Region so viel mehr sind als nur Fortbewegungsmittel. Ein Lebensgefühl eben, welches nur hier authentisch wirkt. In einer Seitengasse entdecken wir wenig später einen kleinen Laden, der frisch gespressten Zitronsaft und Eis verkauft. Naiv gehen wir das Ganze an und möchten ob der Intensität des Geschmacks sogleich die Köpfe gen Himmel gerichtet auf die Knie fallen. Auch in diesem Moment sitzt Eros plötzlich “Perfetto” singend auf meiner Schulter und setzt seinen “That’s Italy, baby!”-Blick auf. Noch eine Pasticci di Limone auf die linke, eine Limoncello-Flasche von Antichi in die rechte Hand und wir suchen einen letzten Blick auf den Dom werfend erneut die Bushaltestelle auf. Wieder Gewusel, Hitze und Trillerpfeifen, die sich mehr und mehr in mein Gedächtnis graben. Nach einer gefühlten Ewigkeit steht dann tatsächlich unser Bus vor uns und ich finde meinen Amalfitana-Moment bei tollstem Sonnenuntergang in Positano wieder. In Sorrent angekommen schaffen wir durch heldenhafte Tat von Herr Freund auch noch den Anschluss nach Montecchio und so können wir wenig später mit unseren zwei Margharita’s im Karton auf unserer heimischen Terrasse Platz nehmen.

// 17.08.2019 // Fährtfahrt nach Capri

Es ist Wochenende und “Ferragosto” hat vielen Italienern Urlaub beschert. Das merken wir spätestens dann, als wir an der Verkaufsstelle für die Fährtickets nach Capri anstehen. Unbewusst nehmen wir an unserem letzten Tag nochmal das komplette Touristenprogramm mit. Die Sonne brennt unermüdlich vom Himmel und aller drei Minuten möchte ein pfiffiger Verkäufer andere Ware feilbieten: Sonnenhüte, Ventilatoren und natürlich Extra-Tickets für die “Blaue Grotte”. Wir lehnen “No Grazie!” sagend ab und zählen die Minuten bis zur Abfahrt. Bis zu 3000 – 4000 Touristen sollen laut Aussage des Ticketverkäufers heute nur allein von Sorrent nach Capri übersetzen. Wir bekommen eine ungefähre Ahnung, was uns wenig später erwarten soll. Dennoch stimmt uns die Fahrt und der Anblick der charmant pastellfarbenen Häuser weit oben zwischen den zwei Kreidefelsen fröhlich. Vereinzelt leuchten weiße Villen eingerahmt vom Azurblau des Meeres zwischen dem Grün auf und die Dichte der Jachten steigt plötzlich ebenfalls exponentiell an. Der Anker wird gesetzt, die Fähre wiegt sanft schwankend hin und her und wir werden wenige Minuten später von Taxis, Menschenmassen und 10-15 weiteren Ticketverkäufern überrollt. Willkommen an der Marina Grande von Capri. Erneut laufen wir davon, streichen den mondänen, überlaufenen Ort Capri sogleich von unserer Liste und steuern stattdessen die Scala Fenicia an, eine alte Treppe, die früher Anacapri mit der Marina Grande verband und die einzige Möglichkeit darstellte, Trinkwasser und Lebensmittel zu besorgen. Harmlos schlängelt sie sich anfangs zwischen Villen, Zitronen und Bougainvillea den Hang hinauf. 900 Stufen und 500 Trinkpausen später zittern die Knie und der Schweiß fließt in Strömen. Ein Inder kommt uns mit seiner Familie von oben entgegen, lächelt uns an sagt schließlich: “Almost there!”. Und tatsächlich empfängt uns neben der Sphinx der Villa San Michele sogleich auch eine schön beklebte Touristengruppe, die den Blick über den Golf von Neapel und die Sorrentinische Halbinsel schweifen lässt. Wir lassen uns vor der Villa nieder und schnappen erstmal nach Luft. Die nächste Touristengruppe kommt um die Ecke und kreist uns ein. Wir flüchten ins Innere und plötzlich ist von dem Trubel draußen nichts mehr zu hören. Überall laden lauschige Plätzchen zum Verweilen ein, die Zikaden tun ihr übriges und der Blick entlohnt wenig später vollends für den mühsamen Aufstieg. Axel Munthe, sie hatten Geschmack und Sinn für unendliche Schönheit. Diesmal verirrt sich tatsächliche eine Aida-Gruppe ins Innere der Villa und so erkunden wir schließlich die weiße Stadt Anacapri. Ich fange auch hier all die bunten, fotogenen Farbtupfer ein und versuche mich nicht in den kleinen Gassen zu verlieren. Auf dem Rückweg sind wir es diesmal, die all die Entgegenkommenden bemitleiden und mit einem “Almost there” aufheitern können. Zurück an der hektischen Marina Grande nehmen wir eine Fähre eher und werden sogleich in eine 20-minütige Unterhaltung mit einer Amerikanerin aus North Carolina verwickelt. Sie erzählt uns, wie klein sie die europäischen Autos findet und das Disneyland so ähnlich wie Capri nur mit Kindern ist. Zusammen mit ihrem Mann wird sie genauso wie wir morgen nach Rom aufbrechen und später noch Venedig besuchen. (Spoileralarm: Tatsächlich haben wir sie in Rom wiedergesehen!) Ein letztes Mal schlendern wir durch die Gassen von Sorrent, probieren auch hier den Limoncello und ergötzen uns am täglichen Eisgenuss. Zurück in Montecchio füllt Herr Freund seine heimischen Pizzamehl – und Tomatensaucenvorräte auf und gemeinsam schleppen wir sie die Anhöhe zur Unterkunft hinauf. Wir gönnen uns neben dem unendlich schönen Sonnenuntergang noch ein Abendessen bei unserem Gastgeber Guiseppe. Neben Büffelmozarella, Ricotta, Salami, Melone mit Schinken, gegrillter Zucchini, Bruschetta und gefüllten Reisbällchen werden wir mit handgemachten Ravioli (+ Parmesan in rauen Mengen), einer Grillplatte und Profiterol verwöhnt. Dass es vorzüglich geschmeckt hat, brauche ich nicht erwähnen. Sein Kumpel kommt am Ende dieses Festmahls ganz klassisch mit einem alten Fiat 500 vorbei und genau das ist es, was mein Herz ob des Abschieds in Wehmut versetzt. Doch Rom ruft und wird uns (Achtung Spoileralarm!) selig stimmen.

Previous Post Next Post

You may also like

No Comments

Leave a Reply